Selbstständigkeit hat viele schöne Seiten. Ich kann mir meine Arbeitszeit frei einteilen, kann selbst entscheiden, welche Aufträge ich annehme, mit welchen Menschen oder Unternehmen ich zusammenarbeiten möchte, kann auch einfach mal neue Wege gehen, wenn ich auf den alten Wegen nicht weiter komme. Selbstständigkeit hat aber auch seine schlechten Seiten! Die fehlende Absicherung durch soziale Sicherungssysteme zum Beispiel, die ständigen Auf und Ab‘s beim Einkommen, die eine Planung der eigenen Altersvorsorge schier unmöglich machen. Auch die rechtlichen Unsicherheiten gehören dazu, bringen schlaflose Nächte, rauben einem die Kraft, um sich auf das notwendige zu konzentrieren.
An einem Scheideweg
Deswegen bin ich derzeit auch wieder an einem Scheideweg. Weitermachen oder doch wieder in die abhängige Beschäftigung. Wenn ich den zweiten Weg gehe, dann möchte ich etwas total anderes machen, weswegen ich mich gestern einfach Mal spontan bei der Deutschen Bahn als Quereinsteiger beworben habe. Warum auch nicht? Die Bahn bietet die Möglichkeit, als Quereinsteiger Lokführer zu werden und das wäre tatsächlich ein kompletter Neubeginn. Ich habe schon vieles gemacht. Angefangen mit einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel – Fachrichtung Großhandel, über Versandmitarbeiter, Briefsortierer, Warenveräumer bis hin zur Reinigungskraft und eben meine Selbstständigkeit, in der ich von der Betreuung der EDV über Eventmanagement bis hin zu Büroservices auch schon einiges gemacht habe. Lokführer wäre also ein kompletter Bruch damit, aber eben durchaus etwas, was ich mir durchaus vorstellen kann. Sicher ein stressiger Beruf, sicher verdiene ich auch dort kein Vermögen, werde auch dort nicht zum Millionär und sicherlich verliere ich dort eine Menge meiner bisherigen Freiheiten. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Sicherheit, ein geregeltes, regelmäßiges Einkommen, Absicherung in den sozialen Sicherungssystemen und es würde auch einiges an administrativen Aufgaben für mich wegfallen, die die Selbstständigkeit eben mit sich bringt.
Ich muss nicht unbedingt selbstständig sein
Ich bin gerne selbstständig, versteht mich nicht falsch, aber ich bin mit der Einstellung in die Selbstständigkeit gegangen, dass ich nach wenigen Jahren freiwillig in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen kann. Eine erste kleine Niederlage für mich war, als mir einfach die finanziellen Mittel fehlten, um in der gesetzlichen Krankenkasse zu bleiben und ich den Weg in die private Krankenversicherung gehen musste. Das war nie mein Ziel, es war auch nie mein Wunsch! Und wenn die Rechtslage damals, 2012, schon genauso gewesen wäre wie heute, dann wäre ich auch in der gesetzlichen Krankenversicherung geblieben, nur leider war sie es damals nicht! Und ansonsten bin ich auch noch immer nicht in der Lage, freiwillig in die Rentenversicherung einzuzahlen, obwohl das damals eines meiner Ziele war.
Ich finde es übrigens Klasse, dass die Bundesregierung eine Rentenversicherungspflicht auch für Selbstständige bringen möchte, bin mir aber so ziemlich sicher, dass diese wieder so ausfallen wird, dass sich viele Selbstständige in Hartz4 wiederfinden werden. Noch so ein Grund warum ich nicht mehr unbedingt selbstständig sein muss! Mir bringt meine Selbstständigkeit nämlich wenig, wenn ich am Ende 60 Prozent oder mehr nur in die Krankenkasse und in die Rentenversicherung investiere. Ich würde eher ein Modell favorisieren, bei dem ich 20 Prozent meine Einnahmen in die sozialen Sicherungssysteme stecke – ohne dass es eine Deckelung der Beiträge nach oben gibt – und ich dann eben auch in den Sozialversicherungssystemen bin, einschließlich der gesetzlichen Krankenkasse. Damit ließen sich auch andere Rechtsunsicherheiten beseitigen, aber ein solches System wird nicht kommen und auch deswegen muss ich nicht unbedingt weiter selbstständig sein!
Für mich ist es kein Scheitern!
Ich habe jetzt 10 Jahre in die Selbstständigkeit investiert. Mal mehr Zeit, mal weniger Zeit. Ich wollte in der Zeit auch mein Studium abschließen, bin damit aber bis jetzt nicht wirklich glücklich geworden. Ein Neubeginn wäre für mich also kein Scheitern, es wäre eine Neuausrichtung, eine andere Abzweigung auf meinem Lebensweg, an dessen Gabelung ich ein bisschen Ballast aus meinem Rucksack ablegen könnte. Ob ich diese Abzweigung nehme, das wird sich in den nächsten Monaten entscheiden. Bis dahin werde ich aber auch an meiner Selbstständigkeit weiter arbeiten, werde schauen, was sich hier noch für Möglichkeiten ergeben und vielleicht sind es diese Möglichkeiten, die mich dann doch motivieren, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und nicht die Abzweigung zu nehmen. Selbstständigkeit ist keine Berufung, sie ist ein Weg, der durchaus gangbar ist und ja, er kann auch eben mal ein Zwischenweg sein. Und wenn ich dieses Jahr noch ein paar Aufträge bekommen würde, könnte ich vielleicht sogar den freiwilligen Mindestbetrag von 1010,- Euro an die Deutsche Rentenversicherung überweisen.
Aber: Ich muss nicht unbedingt selbstständig sein, auch wenn ich die Herausforderung der Selbstständigkeit liebe!